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Kritik von Werner Zintgraf zum Konzert am 21.11.1973
Mozart-Requiem und Symphonie zum Bußtag
Überraschend großer Publikumsandrang - Erstmals Beifall in der Kirche

Nagold. Man traute seinen Augen nicht: eine lange Schlange vor der Kasse und ein volles Kirchenschiff - das hat hier Seltenheitswert und war zugleich ein verdienter Lohn für Kantor Gerhard Kaufmann und seinen Chor.
Der Verbund mit dem Stuttgarter Universitätschor, dem verstärkten Paul-Gerhardt-Kammerorchester und einem vorzüglichen Solistenquartett hat sich aber auch gelohnt. Daß Gerd Kaufmann die Mozart-Symphonie in g-Moll (KV 550) vornanstellte, eine der drei "großen", von der man zu Unrecht sagt (und wie sich auch hier bewies), daß sie von Todesahnungen des 32jährigen durchzogen sei, gab ihm Gelegenheit, sich zum erstenmal als Orchesterdirigent vorzustellen. Wenn diesem hochtalentierten Musiker noch die routinierte Gestik fehlt, so gab er trotzdem einen überzeugenden Beweis seines gestalterischen Willens, der durch eine beschwingt-gelöste, Atmosphäre ausstrahlende Grundkonzeption kennzeichnet und stets von innerer Spannkraft erfüllt war.
Dann nahm die große Chorgruppe hinter dem Orchester Aufstellung für Mozarts unvollendete Trauermesse, jenem von Legenden umsponnenen, mystischen Requiem, das seine krankhafte Vorstellung vom nahen Tod noch steigerte.
Gerhard Kaufmann bevorzugte auch für dieses Werk straffe Tempi und eine unmittelbar ansprechende dynamische Zeichnung, die dem Textinhalt wie dessen musikalischer Umsetzung in jeder Phase adäquat ist und immer wieder zu großartigen Steigerungen führte. Dabei war er stets darauf bedacht, die oft in Kanonform angelegte polyphone Stimmenführung begreifbar herauszuarbeiten, wozu schon das "Kyrie" ein treffliches Beispiel bot, nicht minder das zweiteilige "Hostias". Konzentriert folgte ihm der Chor mit exakten Koloraturen oder machtvollen homophonen Anrufen wie im "Sanctus" und "Agnus Dei", ständig wechselnd mit frappierend zarten Pianophasen, die organisch zu den musikalischen Höhepunkten hinführten.
Diesen großartigen chorischen Leistungen war das Solistenquartett durchaus ebenbürtig, dem der Bassist Helmut Kühnle mit seiner fülligen, klar artikulierenden Stimme das Fundament gab. Hatte der Tenor Walter Strobel im "Tuba mirum" noch leichte Anlaufschwierigkeiten, so erholte er sich davon rasch und konnte dann gut mithalten, denn in der Sopranistin Isolde Rebmann und der Altistin Eva-Maria Bausch standen zwei erfahrene Sängerinnen zur Verfügung, die durch ihre Gestaltungskraft wesentlich zur glanzvollen Wiedergabe des Werkes beitrugen. Nur im "Benedictus" gab es einen kleinen Schönheitsfehler, als das Orchester zu dick auftrug. Bei ihm, das gut mitging, gilt vor allem den Flöten und der Posaune ein Lob.
Zum erstenmal gab es in der Stadtkirche Beifall, nach der Symphonie und dann - nicht nach aller Anwesenden Geschmack - auch nach dem Requiem. Es war nicht nur hochverdient, sondern auch ein spontaner Dank für dieses nachhaltig beeindruckende Konzert. So bliebe am Schluß zu wünschen, daß künftig die Bemühungen des Stadtkirchenchores um Konzerte von hoher Qualität mehr Resonanz bei der musisch ansprechbaren Bevölkerung finden als in der Vergangenheit. Und vielleicht muß man es einmal deutlich sagen, daß in Kantor Gerhard Kaufmann ein Musiker zur Verfügung steht, dessen künstlerische Qualitäten noch gar nicht so recht ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gelangt sind.

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